ABWARTEN UND TEE
TRINKEN.
Aus dem Tagebuch von Maria
17. November 2022
Gedanken zum Tag. Von einem lieben Menschen.
Lauschangriff. Ein gruseliges Wort. Vielleicht sogar schon mal Unwort des Jahres. Trotzdem lassen wir es mal so stehen. Weil wir hier in die Gedankenwelt von Eva-Maria (Name von der Redaktion geändert) reinhorchen, was sie uns bei einem gemütlichen Plausch nach dem Essen so erzählt hat.
DONNERSTAG. SPÄTERER NACHMITTAG.
Jetzt sitz ich also hier. In diesem neuen Wellnesshotel in Tux. Im Zillertal. Gemütlich in den Bademantel reingekuschelt, noch ein wenig dampfend vom Aufguss da drüben. Und doch schon wieder Lust auf Wärmendes. Diesmal von innen. Der Tee in meiner Tasse lacht mich an. „Vielleicht linksdrehend“, denk ich mir? Muss selbst über mich grinsen, auf welch eigenwillige Gedanken ich hier abseits von Arbeit, Familie, Alltag komme. Ertappe mich dabei, mich darauf zu konzentrieren, endlich einmal an nichts zu denken. Die Wochen davor waren eh viel zu intensiv. Leider bin ich halt so gar nicht dieser Nichts-denken-Könner. Ich versuch, nicht an die Erlebnisse des schönen Wintertags zu denken, das heb ich mir für später auf. Beim Einschlafen. Gewohntes Ritual für mich, den Tag Revue passieren zu lassen. Lass natürlich nur das Schöne zu, das dann meine Träume kreuzen soll.
DAS RICHTIGE. VOR DEM WICHTIGEN.
„Schau, schau“, denk ich mir. Der schaut doch fast ein wenig aus wie Helmut. Und wieder ist es aus mit dem Nichtdenken. Als ich das letzte Mal mit ihm geplaudert hab, hat er mir von einer interessanten Begegnung erzählt. Er hatte für ein Magazin einer Luxusuhrenmarke als Redakteur einen über 90-jährigen Shaolin-Mönch interviewt. Und ihn zu seinen Werten, zu seinem
wichtigsten Grundsatz in seinem Leben, befragt. Er gab ruhig und lächelnd den Satz „Das Richtige vor dem Wichtigen zu tun“ als tiefgründige, aber so einfache Antwort mit auf den Weg.
Eigentlich wollte ich ja gemütlich eines der Magazine, die dort auf dem Tisch liegen, durchblättern. Aber da hat mir der Mönch jetzt ausreichend Stoff für die nächste Viertelstunde geliefert. Und schon kreisen sie. Die Gedanken. Wann ich das letzte Mal das Richtige vor dem Wichtigen getan habe. Egal, ob für mich, meine Familie, für wichtige Menschen aus dem Umfeld. Hol mir grad meine imaginäre To-do-Liste auf meinen Schirm – und seh die vollgestopfte rechte Seite – wo es ums Wichtige geht. Und die gähnend leere linke Seite, die mit dem … Sie wissen schon.
EINFACH TUN. DAS WORT MIT DEN DREI BUCHSTABEN
Das möchte ich ändern. Und dazu brauch ich weder Silvester mit all seinen gut gemeinten Vorsätzen noch einen Therapeuten. Einfach nur den Hausverstand eines weisen, alten Mannes. Warum ich mir diese Gedanken nicht schon beim oder nach dem Gespräch mit Helmut gemacht habe? Wahrscheinlich, weil ich damals im Gegensatz zu hier und jetzt wieder das Wichtige und nicht das Richtige getan hab.
Eure Maria & Eva-Maria